Nadelwald von oben. Ein Waldweg führt hindurch. Foto: Unsplash/Geran de Klerk.

Totes Holz – wird das mal anziehend?

Schwedens Wälder haben ein immer größer werdendes Problem, den berüchtigten Borkenkäfer. Dieser hinterlässt tonnenweise befallenes Holz und die Frage, was damit geschehen soll.

Foto: Wälder, soweit das Auge reicht: In Schweden keine Seltenheit. Credits: Unsplash/Geran de Klerk

Schweden – wo der Wald zuhause ist

„Für mich ist Schweden eigentlich ein einziger großer Wald“, sagt Prof. Joseph Samec belustigt. Damit hat der Chemiker, der an der Universität von Stockholm arbeitet, nicht ganz Unrecht, denn mehr als die Hälfte der Landesfläche von Schweden sind bewaldet. Mit rund 28 Millionen Hektar Wald hat Schweden absolut sogar die größten Waldflächen in der Europäischen Union. Auch während des Interviews mit science-guide.eu lassen sich durch das Fenster hinter Samec einige Bäume ausmachen. Die Universität Stockholm liegt im Grünen, ein Stück entfernt vom Stadtkern.

Doch der Wald bereitet Joseph Samec Sorgen. Denn er ist zunehmend durch den Fichtenborkenkäfer bedroht. Allein im Jahr 2020 fielen dem gefräßigen Insekt laut der schwedischen Waldbehörde rund sieben Millionen Kubikmeter schwedischer Wald zum Opfer. Aber was passiert mit dem befallenen Holz? Genau dieser Frage geht der Chemiker und Professor Joseph Samec mit seinem Team nach. Sein Ziel: Er will aus dem befallenen Holz Textilfasern für Kleidung herstellen und so einen Weg finden, mit dem Schädling, dem Klimawandel und der damit einhergehenden Ressourcenknappheit umzugehen.

„Diese wertvolle Ressource sollte nicht als Brennholz enden.“

Prof. Josef Samec, Chemiker an der Universität Stockholm

Ein Schädling macht Probleme

Der Borkenkäfer ist für die Wälder Schwedens und damit auch für etliche landwirtschaftliche Betriebe ein Problem, die vielfach auch Forst bewirtschaften: Er macht das Holz trockener, was eine Wiederverwertung erschwert und den Energieertrag beim Verbrennen mindert. „An diesem schadhaften Holz verdienen Landbesitzer nicht wirklich etwas“, sagt Chemiker Joseph Samec. Gerade das ist ein Grund für ihn, warum in seinen Augen diese Ressource lieber anderweitig verwendet werden sollte und nicht als Brennholz endet: „Denn wir möchten doch keine Bäume mehr für die Energieerzeugung fällen“.

Fakt ist nämlich: Sobald ein Baum vom Fichtenborkenkäfer befallen ist, ist der jeweilige Landbesitzer in Schweden gesetzlich dazu verpflichtet den Baum zu fällen, ihn aus dem Wald zu transportieren und zu verbrennen. Das soll eine weitere Ausbreitung des Borkenkäfers verhindern. Eine neue Möglichkeit, dieses Holz zu nutzen, könnte gerade auch für diese Landbesitzer interessant sein.

Keine Spinnerei, sondern schon tragbar

Es gibt schon Kleidung aus Holz, zum Beispiel vom Unternehmen „Wiljd“ aus Deutschland. Das Startup produziert seid 2019 Kleidung aus holzbasierten Fasern, allerdings nur aus gesundem Holz. Doch so sehr unterscheidet sich das vom Borkenkäfer befallene vom gesundem Holz gar nicht, meint Dr. Hans Grundberg vom Unternehmen MoRe Research. Dies ist ein Forschungs- und Entwicklungsunternehmen im Bereich Produkte und Prozesse in Schweden, das auch eng mit der Forstindustrie zusammenarbeitet.

Grundberg sagt: „Im Grunde geht der Borkenkäfer nicht in das Holz. Er geht in die Rinde und tötet den Baum und macht ihn so trockener. Aber die Zellulose und die Fasern in den Bäumen haben die gleiche Qualität wie bei gesunden Bäumen.“ Der Chemieingenieur findet die Idee, Kleidung beziehungsweise Textilfasern aus befallenem Holz herzustellen grundsätzlich interessant. Dabei sieht er die Entwicklung solcher Textilfasern erst mal nicht problematisch. Entscheidend ist für ihn aber, dass das Holz für dessen weitere Verarbeitung im Vorfeld vernünftig aufbereitet wird, damit die weiteren Schritte funktionieren können.

„Fasern befallener Bäume haben die gleiche Qualität wie bei gesunden Bäumen.“

Dr. Hans Grundberg, Chemieingeneur

Aus Holz werden Textilfasern 

Für den eigentlichen Prozess der Herstellung von Textilfasern aus Holz wird Lignocellulose verwendet. Diese ist in holzigen Pflanzen, wie Bäumen, das robuste Material, das den Zellwänden die Struktur gibt. In einem Haus entspräche die Lignocellulose dem Stahlbeton, wobei die Cellulose dem Stahlgitter und das Lignin dem Beton gleicht.

Um an dieses zu gelangen, werden die Bäume zunächst zu sogenannten „Hackschnitzeln“ zerkleinert und chemisch aufbereitet. Der herausgelöste Zellstoff sieht dann so ähnlich aus wie Watte. Diese „Watte“ wird dann im nächsten Schritt durch chemische Verfahren in einzelne Fasern aufgelöst und die Verbindungen zwischen den einzelnen Zellfasern werden unterbrochen. Danach werden die Zellfasern dann maschinell auf eine Art Spinnrad aufgezogen.   

Das Problem mit der Zellstoffindustrie 

In Schweden sorgt die Holz- und Papierwirtschaft für rund 13 Prozent der industriellen Wertschöpfung und ist damit neben dem Fahrzeugbau der wichtigste Industriezweig des Königreichs. Entsprechend bereitet der Appetit des Fichtenborkenkäfer auf schwedische Bäume auch dieser Industrie Sorgen. „Wir haben mehr und mehr Aufmerksamkeit von der Zellstoffindustrie bekommen“, sagt Chemieingeneur Hans Grundberg.

Obwohl diesen Unternehmen aufgrund des Borkenkäfers und des Klimawandels langfristig weniger gesundes Holz zur Verfügung steht und sie sich damit befassen müssten, Zellstoff und Textilfasern aus befallenem Holz herzustellen, erwartet Grundberg keine raschen Änderungen von der Branche: Die Zellstoffindustrie sei generell recht konservativ, die Viskoseindustrie sogar noch mehr. Die aufwendigere Aufbereitung des trockenen, geschädigten Holzes, verlangsame wahrscheinlich die Produktion, so Grundberg: „Und das mögen sie nicht.“

Weit entfernt vom Borkenkäfer-T-Shirt

Wovon die Industrie im großes Stil erst noch überzeugt werden muss, ist der Forschungsgruppe um den Chemiker Joseph Samec an der Universität von Stockholm schon gelungen: Sie haben erfolgreich Faserzellstoff aus befallenem Holz hergestellt. Davon, dass T-Shirts aus Borkenkäfer-Holz im Laden hängen, sind sie allerdings noch weit entfernt. Die Forschung steckt noch in den Kinderschuhen, die Veröffentlichung des ersten Papers steht erst noch bevor.

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