CO2-Speicherung im Boden: Retten wir so das Klima?

Um die Erderwärmung zu begrenzen, muss die Menge an Kohlenstoffdioxid (CO2) in der Atmosphäre begrenzt werden. Weil dort schon zu viel ist, arbeiten Forschende in Island daran, CO2 wieder aus der Luft zu holen und langfristig zu speichern.

Foto: Kühlturm eines Atomkraftwerkes. Credits: pixabay/distelAPPArath.

Wer bringt heute den Müll raus? Was in WGs schon mal zu Streitigkeiten führt, ist auch auf globaler Ebene ein ungelöstes Problem. In Hellisheiði im Südwesten Islands wird CO2, das wichtigste Abfallprodukt der industrialisierten Menschheit, entsorgt. 2,2 Kilometer tief unter der Erde soll es Jahrtausende bleiben und nicht mehr in die Atmosphäre gelangen. Löst die Methode unser Klimaproblem?

Möglichst nah an 1,5 Grad Celsius, um viel mehr soll sich die Erdatmosphäre nicht erwärmen. So haben es die Länder der Welt 2015 im Pariser Klimaabkommen festgehalten. Dafür müssen weniger Treibhausgase ausgestoßen werden, denn die erhitzen die Erde. Aber auch in den optimistischsten Szenarien, in denen die Menschheit es schafft, sehr bald sehr viel weniger CO2 auszustoßen und in naher Zukunft gar keins mehr, brauchen wir laut dem Weltklimarat (IPCC) Technologien, die das ausgestoßene CO2 wieder aus der Atmosphäre holen, um die Erderwärmung auf unter 2°C zu begrenzen und die Erde möglichst weiträumig bewohnbar zu halten.

Negative Emissionen nennt sich das. Man könnte dafür viele Bäume pflanzen, die das CO2 in den Blättern und in ihrem Holz speichern. Aber auch die Erde selbst kann CO2 aufnehmen. Sie tut das von selbst, braucht dafür aber Jahrtausende. Zur Begrenzung der Erderwärmung bleiben nach Schätzungen des IPCC jedoch nur noch wenige Jahrzehnte.

Mit geochemischen Methoden kann man diesen Prozess auf wenige Jahre beschleunigen. Fachleute sagen dazu Carbon Capture and Storage (Kohlenstoff einfangen und speichern), kurz CCS. Keine der verschiedenen CCS-Methoden wird bis jetzt in so großem Maßstab angewendet, wie es nötig wäre, um genug CO2 aus der Atmosphäre zu ziehen, dass die Erderwärmung unter 2 Grad Celsius bleibt.

Einfach zurück unter die Erde

Konventionelle CCS wird schon am längsten durchgeführt. Öl- und gasfördernde Unternehmen pumpen Kohlendioxid in verbrauchte Reservoire. Die Gesteinsschichten darüber sollen das Gas dann dort festhalten, damit es nicht wieder in die Atmosphäre kommt. Zum Beispiel die USA und Norwegen führen das schon seit einigen Jahrzehnten durch. Letztlich wird der Kohlenstoff so wieder dorthin zurückgeführt, wo er herkommt. Der wesentliche Anteil des überschüssigen CO2 stammt schließlich aus der Verbrennung von Öl und Gas.

Theoretisch geben Übersichtsstudien hier ein Potential von mehreren 1.000 Gigatonnen CO2 an, für das es unter der Erde Platz gäbe. Zum Vergleich: das restliche weltweite CO2-Budget bis zum 1,5°C-Ziel beträgt Stand Mai 2023 noch gut 250 Gigatonnen CO2. Es gäbe also mehr als genug Platz.

Die internationale Energieagentur IEA bemängelt aber an der konventionellen Lagerung, dass sie nicht so schnell ausgebaut wird, wie es nötig wäre. Und das deutsche Umweltbundesamt hat Sicherheitsbedenken. Das CO2 könnte aus den Reservoiren entweichen, dabei die lokalen Ökosysteme vergiften und doch wieder in die Atmosphäre gelangen. Von Umweltschutzverbänden und aus den Reihen der Grünen gibt es deswegen in Deutschland regional starken Widerstand gegen konventionelle CO2-Speicherung.

Wie im Wasssersprudler

Eine andere Methode wird deshalb auf Island erprobt. Das isländische Unternehmen Carbfix löst das CO2 in Wasser, bevor es unter die Erde gepumpt wird. Wenn man Kohlenstoffdioxid in Wasser löst, entsteht Kohlensäure. „Wie in einem Wassersprudler“, erklärt Deirdre Clark, die für Carbfix beobachtet, ob das CO2 wirklich im Boden bleibt.

In 2.200 Metern Tiefe verbindet sich die Kohlensäure mit dem Basaltgestein, in das sie gepumpt wird. Es wird dort zu Karbonat, also Kalkgestein. Laut Unternehmensangaben bleibt es dort dann für hunderttausende Jahre gebunden und kommt nie wieder in die Atmosphäre. Auch hierfür ist das Potential sehr groß, laut Berechnungen des IPCC in der Größenordnung von 1.000 Gigatonnen CO2, also etwa so viel wie die konventionelle Speicherung.

Dafür muss man allerdings erstmal sehr tief in die Erde bohren. Solche Bohrungen können Erdbeben verursachen, und manche Wissenschaftler sind besorgt, dass die Erde auch beben könnte, wenn die Kohlensäure in den Boden gepumpt wird.

Deirdre Clark kann nicht sagen, wodurch Erdbeben in der Nähe der Anlage in Island ausgelöst wurden, denn dort gibt es sowieso schon natürlicherweise viele Erdbeben. Die Isländerinnen und Isländer seien daran gewöhnt, sagt sie. Ihnen würde das Risiko nichts ausmachen, solange man sie transparent informiert.

Das Erdbebenproblem

Martin Scherwath macht sich mehr Gedanken um die Erdbeben. Er arbeitet als Gashydratspezialist an Solid Carbon, einem Projekt, das die Technik, die Carbfix verwendet, unter dem Meer umsetzen will. „An der kanadischen Westküste gibt es regelmäßig sehr große Erdbeben“, sagt er. „Da müssen wir natürlich gucken, dass mit dem CO2, was wir da sequestrieren, nicht irgendetwas passiert, was wir nicht wollen.“

Dabei geht es nicht nur um die Erdbeben, sondern auch darum, dass das CO2 im Basalt bleibt und nicht ins Meer freigesetzt wird, wo es lokalen Ökosystemen schaden würde. Das sind die möglichen Gefahren, die Scherwath ausschließen möchte. Solid Carbon soll deswegen das CO2 nicht in leichter zugänglichen Basalt direkt am Meeresboden pumpen, sondern dorthin, wo über der Basaltschicht undurchlässige Sedimente als Schutzschicht liegen.

Das Gebiet sei schon recht gut untersucht, und in einer Simulation am Computer sei alles unbedenklich gewesen, erklärt Scherwath. Trotzdem muss natürlich unbedingt ein ausführliches Monitoring durchgeführt werden. Umgesetzt werden kann das Projekt bis jetzt noch nicht; es fehlt an Förderung und auch an Gesetzgebung für die ökonomische Umsetzung im Meer. Deswegen ist es umso wichtiger, keine Risiken einzugehen.

Dünger aus der Luft

Es gibt auch Methoden, CO2 zu binden, die ohne Bohrungen und Erdbeben auskommen. Die Firma Undo verteilt in Schottland Basaltpulver auf Feldern. Dort bindet der Basalt dann CO2 aus der Luft und fungiert gleichzeitig als Dünger; eine Win-Win-Situation, erklärt Liam Bullock, der an der Universität Oxford erforscht, wie sich CO2 durch verwitternde Steine binden lässt. „Es gibt Hinweise in einigen wissenschaftlichen Berichten, dass die Bodenfruchtbarkeit und die Produktivität von Nutzpflanzen steigen können, wenn Basalt oder andere Silikatmaterialien dem Boden zugesetzt werden, im Vergleich zur Verwendung einiger anderer chemischer Düngemittel“, so Bullock.

Der Erderwärmung etwas entgegensetzen und gleichzeitig den Ackerbau unterstützen – klingt eigentlich zu gut, um wahr zu sein. Denn es gibt einen Haken: es kann noch niemand nachweisen, ob und wie gut die Methode eigentlich CO2 bindet. Es sei nach wie vor oft schwierig, verschiedene Ansätze zu vergleichen, erklärt Liam Bullock, da verschiedene Pilotprojekte unterschiedliche Dinge messen. Es gebe mittlerweile Bemühungen, methodische Ansätze zu standardisieren, um Daten vergleichen und Ideen verbessern zu können. In der Zwischenzeit kann man sich zumindest sicher sein, dass die Felder gedüngt werden.

Das beste Werkzeug? Nein, alle!

Beim Projekt Carbfix können die Forschenden genau sagen, wie viel CO2 gespeichert wird. Statt ganze Äcker zu beobachten, kann hier einfach gemessen werden, wie viel von dem Treibhausgas unter die Erde gepumpt wird. Laut Firmenangaben sind mindestens 95% des CO2, das in den Basalt geleitet wird, nach zwei Jahren dort fest gebunden.

Das funktioniert nur, weil Carbfix dort arbeitet, wo das CO2 überhaupt erst freigesetzt wird, zum Beispiel an Kraftwerken mit hohem Treibhausgasausstoß. Dort ist die Konzentration höher als in der Atmosphäre und das CO2 kann effizienter entnommen werden.

Allerdings braucht es dafür ein Kraftwerk oder eine andere Treibhausgasquelle in der Nähe einer Basaltgesteinsschicht. Sonst muss das CO2 per LKW kostenaufwändig und mit weiteren Emissionen zur Anlage gebracht werden. Gut funktioniert es, die CO2-Pumpen wie in Hellisheiði an Geothermiekraftwerke anzuschließen, weil es dort schon Bohrlöcher gibt, durch die die Kohlensäure in den Boden gepumpt wird. Allerdings gibt es nicht viele dieser Kraftwerke.

Das eine Allheilmittel gibt es also nicht, eher verschiedene Methoden, die alle helfen können, den Klimawandel zu bekämpfen. Sie haben jeweils ihre Vor- und Nachteile, die je nach Standort zum Tragen kommen.

„In dieser Klimakrise haben wir nur begrenzt Zeit“, sagt Deirdre Clark von Carbfix. „Wir müssen begrenzen, wie viel CO2 freigesetzt wird, das ist das wichtigste. Und danach müssen wir aufräumen, also so viel CO2 speichern wie möglich, um den Temperaturanstieg zu begrenzen. Dafür brauchen wir alle Werkzeuge, die wir haben. Und wir haben viele Werkzeuge im Werkzeugkasten. Wir sollten nicht nur eins benutzen. Wir brauchen alle.“

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