Ein Gebäude aus Beton mitten im Eis.

Das Backup vom Backup

Longyearbyen, Spitzbergen

Auf der Inselgruppe Spitzbergen wird die Vielfalt der Nutzpflanzenwelt bewahrt. Mitten im Eis, im größten globalen Saatguttresor liegt das Backup vom Backup der Landwirtschaft. 

Foto: Keimzelle mitten im ewigen Eis – der größte Saatguttresor der Welt. Credits: Svalbard Global Seed Vault. 

Beton ragt aus dem ewigen Eis heraus und lässt noch nicht ahnen, dass in dem futuristischen Gebäude die weltweit größte Sammlung an landwirtschaftlichem Saatgut verwahrt wird – dort, wo weit und breit nur Eis und Schnee ist, wo kaum etwas gedeiht. Auf Spitzbergen, einer norwegischen Inselgruppe mitten im Nordatlantik und Arktischen Ozean. 

Saatgut-Tresor: Was ist das? Und warum braucht man ihn?

Insgesamt lagern dort bereits mehr als eine Millionen Samenproben. Platz wäre für 4,5 Millionen. Der Tresor in Spitzbergen ist dazu gemacht, den „Test der Zeit“ zu überstehen, wie es der Betreiber, der Global Crop Diversity Trust, ausdrückt. Oder deutlicher: um Natur- und menschengemachte Katastrophen zu überleben. Denn genau wie Tierarten können Pflanzensorten aussterben, wenn sie nicht geschützt werden.


Der Global Crop Diversity Trust ist ein unabhängiger globaler Treuhandfond, der Gendatenbanken weltweit unterstützt. Denn solche Gendatenbanken, in denen Pflanzensamen gelagert werden, gibt es überall auf der Welt. Insgesamt sind mehr als 1700 Stück. Weil die Pflanzensamen und damit die Gendatenbanken so wichtig sind, dient Spitzbergen sozusagen als Backup fürs Backup. Nimmt eine der lokalen Datenbanken Schaden, kann sie auf die Reserven im Nordatlantik zugreifen.

Warum der Standort perfekt ist und es trotzdem Probleme gab

Es gibt gute Gründe dafür, die Samen dort auf aufzubewahren, wo fast nichts wächst.  Der Global Crop Diversity Trust nennt vier Gründe, warum er sich für Spitzbergen als Standort des Saatgut-Backups entschieden hat:

  1. Damit die Samen sicher aufbewahrt werden können, muss es immer mindestens -18 Grad Celsius kalt sein. Durch den Permafrostboden ist es dort unter der Erde so kalt, dass die Saatgutproben mit geringen Kosten und sehr zuverlässig gekühlt werden können. 
  2. Der Standort befindet sich einige dutzend Meter über dem Meeresspiegel. Auch vor Fluten und einem steigenden Meeresspiegel ist der Tresor damit geschützt.
  3. Die Region ist geologisch stabil und die Luftfeuchtigkeit ist gering.
  4. Svalbard ist der nördlichste Ort der Erde, der mit einem planmäßigen Linienflug erreicht werden kann. Die Erreichbarkeit ist wichtig, um die Samen möglichst unkompliziert zum Tresor oder zurück zum Ursprungsland bringen zu können.

Ganz so sicher vor Umwelteinflüssen war der Saatgut-Tresor lange trotzdem nicht: 2017 ist der Permafrostboden, der den Tresor umgibt, aufgetaut. Auch wenn die Lagerräume des Saatgutes sicher geblieben sind: Der Eingangsbereich wurde geflutet. Seitdem wurden 20 Millionen Euro investiert, um den Eingangsbereich und das Kühlsystem zu erneuern, damit so etwas nicht wieder passieren kann. Das ist wichtig, weil im Zuge des Klimawandels Permafrostböden auftauen.

Welche Samen in Spitzbergen liegen und woher sie kommen

Insgesamt liegen Samen von 87 verschiedenen Einrichtungen in Spitzbergen (Stand: August 2021). Unter den Einrichtungen sind auch zwei Institute aus Deutschland: Das Leibniz-Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung und das Julius Kühn Institut – Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen. Welche Samen von welcher Institution eingelagert sind und wie viele davon, ist in einer Datenbank öffentlich einsehbar. Um einen schnelleren Überblick zu bekommen, gibt es auch eine interaktive Karte. Dort wird unter anderem angezeigt, wie viele Samen aus dem jeweiligen Land in Svalbard aufbewahrt werden, wie stark das Land den Tresor finanziell unterstützt und ob der Global Crop Diversity Trust Projekte in diesem Land unterstützt hat.

Saatguttresor. Foto: Global Seed Vault.
Samen aus etlichen Ländern lagern auf Spitzbergen – auch aus Deutschland. Credits: Svalbard Global Seed Vault.

Ernstfall in Syrien: Spitzbergen hilft aus

Die nationalen Gendatenbanken schicken also Proben ihrer Samen nach Spitzbergen. Dort werden sie tief unter der Erde aufbewahrt. Sie gehören allerdings immer noch ihrem Ursprungsland. Denn: Wenn das die Samen wieder benötigt, werden sie wieder zurückgeschickt. So musste beispielsweise Syrien im Jahr 2015 auf seine Samen-Reserven im Svalbard Global Seed Vault zurückgreifen, nur vier Jahre nach dessen Eröffnung.

Eine Gendatenbank in Aleppo, in der Proben aus zahlreichen Regionen des Nahen Ostens lagerten, wurde zerstört. Daraufhin wurden mehr als 100.000 Samenproben aus Spitzbergen zurück nach Syrien geschickt, vor allem hitzeresistente Getreidesorten. Sie wurden ausgesät, um damit neue Samen-Reserven aufzubauen. Die ersten Samen aus dieser Aufzucht lagern mittlerweile schon wieder in Spitzbergen.

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