Ein Peeling aus Meersalz, Haferflocken oder Kaffee? – Haushaltsmittel zur Hautpflege sind immer wieder im Trend. Doch was, wenn Kaffee nicht nur alte Hautschuppen entfernen, sondern auch Haut regenerieren könnte? Wenn sich der Schnitt am Finger oder das offene Knie mit einem Löffel Kaffeesatz heilen ließe? Die Eigenschaften von Kaffee zur Hautpflege werden nun erforscht.
Foto: Espresso aus einer Siebträgermaschine. Credits: Unsplash/ Tim Umphrey
Es ist früh am Morgen, in der Wohnung ist es noch ruhig. Nur das Geräusch der brodelnden Siebträgermaschine läutet brummend den neuen Tag ein. Der intensive Duft frisch gemahlener Kaffeebohnen zieht durch die Küche. Gleich ist er fertig. Der heiße Espresso mit dichter, samtiger Crema. Zurück bleibt: Ein brauner, bröckeliger Haufen Kaffeesatz. Ab in den Biomüll damit – oder? Nicht so bei Chemie- und Pharmaziedoktorandin Paulina Sapuła, sie nimmt den Abfall mit ins Labor. An der Technischen Universität Krakow untersucht sie ihn auf mögliche Eigenschaften zur Heilung von Wunden.
Brücken aus Kaffee
In ihrer Forschung am Lehrstuhl für Chemie und Pharmazie beschäftigt sich Paulina Sapuła mit dem Einsatz von Biomaterialien in der Wundheilung und entwickelt neue, sogenannte Crosslinker, aus natürlichen Ressourcen, insbesondere eben aus Kaffee. Crosslinker sind chemische Stoffe, die dazu dienen, verschiedene Moleküle miteinander zu verbinden. Diese zusätzlichen Brücken sorgen für eine stabilere Struktur eines Materials. Die Struktur der Moleküle wirkt sich direkt auf die Eigenschaften des Stoffes aus. Das Material wird auch stabiler. Im Fall von Sapuła werden die Crosslinker bei Hydrogelen eingesetzt. Hydrogele bestehen hauptsächlich aus Wasser sowie einem natürlichen oder künstlich hergestelltem Geliermittel. Ein häufiges natürliches Geliermittel ist beispielsweise Gelatine. Die gesteigerte Stabilität des Gels zeigt sich insofern, dass es zäher und weniger löslich wird und dadurch auch länger hält. Ohne Crosslinker würde es sich schnell wieder auflösen.
Feuchtes Vergnügen
Genutzt werden Hydrogele, um den Wundheilungsprozess zu verkürzen und Narbenbildung zu verhindern. Hydrogele können bereits auf der frischen Wunde aufgetragen werden, da sie die Wunde feucht halten und gleichzeitig Sauerstoffaustausch zwischen der Wunde und der Umgebung ermöglichen. Sauerstoff wird von den Hautzellen benötigt, um sich zu teilen und so die Wunde schließlich zu verschließen. Das Wundsekret kann durch das Hydrogel weiter abfließen und dabei Schädlinge aus der Wunde transportieren, wodurch sich weniger Infektionen bilden. Außerdem stellt das Gel eine Barriere für Bakterien und Krankheitserreger dar, die andernfalls in die Wunde gelangen können. Wird zusätzlich noch ein Verband benötigt, so lässt sich dieser bei einer feuchtgehaltenen Wunde deutlich besser wechseln als bei einer trockenen. Dadurch wird die Wunde beim Verbandwechsel nicht erneut verletzt und heilt schneller ab.
Das Wunder der Wunden
Doch was passiert eigentlich genau, wenn eine Wunde heilt? Der klassische Wundheilungsprozess kann drei Wochen oder länger dauern und lässt sich grob in drei Phasen unterteilen, die teilweise auch parallel ablaufen: Die Reinigungsphase, die Aufbauphase und die Verschlussphase. Zunächst blutet die Wunde und bildet Wundsekret, um Keime und mögliche Verschmutzungen aus der Wunde zu spülen. Zusätzlich entsteht ein Schorf, der davor schützt, dass neue Keime in die Wunde eindringen können. Nach etwa vier Tagen beginnt sich neues Gewebe zu bilden, bis sich dieses neue Gewebe nach einiger Zeit in Narbengewebe umwandelt und eine neue Hautschicht ergibt. Im besten Fall ist dann keine Spur der Verletzung mehr übrig.
Warum Kaffee?
Kaffee und seine Abfallprodukte enthalten, neben einigen anderen Pflanzen- und Kräuterarten, den Pflanzenextrakt Polyphenol. Dieser Crosslinker ist für seine antibakteriellen, entzündungshemmenden und wundheilenden Eigenschaften bekannt und wird in zahlreichen Bereichen der Medizin, wie beispielweise in der Krebstherapie und Zahnmedizin bereits angewandt. Aber: In hoher Dosierung kann Polyphenol manchmal auch toxische Wirkungen zeigen, indem es sich zum Beispiel negativ auf die Leber auswirkt. Daher untersucht Sapuła zunächst die biologischen Eigenschaften ihres Extrakts aus Kaffeeabfällen und prüft sie auf mögliche toxische Wirkungen: „Wir geben den Extrakt auf menschliche Hautzellen und beobachten, ob die Zellen am Leben bleiben oder ob die Anzahl der Zellen reduziert wird.“ Mit Erfolg, denn es konnte keine toxische Wirkung auf Hautzellen festgestellt werden. Damit hat der kaffeebasierte Crosslinker bereits einen Vorteil im Vergleich zu häufig genutzten synthetischen Crosslinkern in Hydrogelen. Dazu gehört Glutaraldehyd, was aus einem Alkohol hergestellt und auch als Desinfektionsmittel genutzt wird. Im Normalfall kann dies problemlos als Crosslinker in Hydrogelen verwendet werden. Wenn es jedoch nicht gut gereinigt oder abgebaut wird, kann es giftig werden. Es gibt auch andere Crosslinker, die verträglicher sind, diese sind aber im Vergleich zu Kaffeesatz sehr teuer. Da der weltweite Kaffeekonsum hingegen stetig steigt und Kaffeesatz ein unumgängliches Abfallprodukt ist, sollte der Bedarf in Bezug auf Hydrogele auf jeden Fall gedeckt sein.
Wandernde Zellen
Nachdem nun also sicher war, dass Sapułas Kaffeextrakt keine Toxizität aufweist, konnte sie ihn auf seine Wundheilungsfähigkeiten testen. Genauer gesagt: Sie stellt aus dem Extrakt verschiedene Lösungen her und fügt diese in das Hydrogel hinzu. Die verschieden vernetzten Hydrogele testet sie auf ihre Eigenschaften im Vergleich zu Hydrogelen ohne Extrakt. Dazu führt sie sogenannte Wundheilungstests durch. Einer Schicht aus menschlichen Hautzellen wird ein Kratzer zugefügt, der die Wunde simuliert. Darauf werden dann die Hydrogele gegeben. Unter dem Mikroskop kann beobachtet werden, wie sich die Zellen bewegen. Im besten Fall schließen sie die durch den Kratzer hinterlassene Lücke, was sich als Wundheilung deuten lässt. Paulina Sapułas Tests sind erfolgreich: Die kaffeebasierten Crosslinker funktionieren und verbessern tatsächlich die Wundheilungsfähigkeit der Hydrogele.
Kaffeesatz im Erste-Hilfe-Kasten?
Bis das Kaffee-Hydrogel auf den Markt kommt, ist der Weg allerdings noch weit. Sapuła hat ihre Forschung noch nicht abgeschlossen, sondern wird ihr Extrakt noch weiter verändern: „Ich denke, ich werde am Ende meiner Doktorarbeit ein endgültiges Material erhalten. Ein Hydrogel, bei dem ich den Vernetzungsprozess optimiert habe.“ Dafür möchte sie unter anderem auch noch weitere Kaffeesorten testen. Bei anderen polyphenolbasierten Hydrogelen ist die Forschung schon weiter. Eine Studie der chinesischen Sun Yat-sen University und der Harvard Medical School zur Anwendung von Hydrogelen auf Polyphenolbasis betont ebenfalls die zahlreichen vorteilhaften Eigenschaften, wie beispielsweise die Stabilität und Haltbarkeit der vernetzten Hydrogele. Besonders im Bereich der Wundheilung seien sie bereits gut erforscht. Bis zur klinischen Anwendung gebe es allerdings trotzdem noch ein paar Hürden zu überwinden. Bevor ein solches Produkt auf den Markt kommt, muss es an mehr Menschen getestet und durch Behörden geprüft werden. Dazu kommen logistische und finanzielle Aspekte: So seien die Gele schwierig zu lagern und transportieren, da die Struktur leicht mit Sauerstoff reagiert. Außerdem müssen zunächst noch Möglichkeiten geschaffen werden, das Hydrogel in großen Mengen zu produzieren. Fest steht: Einen Löffel Kaffeesatz auf das verwundete Knie zu streuen, hilft leider nicht. Bis die wundheilende Wirkung erzielt wird, muss der Kaffee erstmal noch einige Schritte durch das Labor machen. Danach ist es aber möglich, dass das kaffeebasierte Hydrogel früher oder später seinen Weg in unsere Erste-Hilfe-Kästen findet.