Die Nationalität des Erfinders Nikola Tesla ist ein Streitthema. Erfahrt, wer ihn zu seinem Landsmann machen will und welche Rolle nationale Identität in der Wissenschaft spielt.
Foto: Nikola Tesla mit seiner Ausrüstung. Credits: Wellcome Library
Was eine amerikanische Automarke mit Nikola Tesla zu tun hat
Der Name „Tesla“ ist in in den meisten Köpfen heutzutage wohl hauptsächlich mit dem US-amerikanischen Unternehmen verknüpft, das Elektroautos baut. Manchen ist aber vielleicht auch noch der Nikola Tesla im Gedächtnis geblieben – ein berühmter Wissenschaftler. Die Assoziationen stehen zumindest nicht miteinander im Widerspruch: Zwischen dem 19. Und 20. Jahrhundert hat der Physiker und Elektroingenieur zahlreiche Erfindungen und Entdeckungen gemacht, die unter anderem dazu beitragen, dass Elektroautos überhaupt möglich sind. Außerdem hat er einen Großteil seines Lebens hat er in den USA verbracht – seine Wurzeln hat er aber auf dem Balkan.
Kroate, Serbe oder Amerikaner – was war Tesla?
Was bei dem Namen aber wohl kaum jemandem in den Sinn kommt, ist Kroatien. Trotzdem will das Land, wenn es 2023 der Eurozone beitritt, das Abbild des Wissenschaftlers auf ihre 10-, 20- und 50-Cent-Münzen prägen. Denn: Der „Magier der Elektrizität“ ist 1856 in einem Dorf geboren worden, das im heutigen Kroatien liegt. Deswegen sehen viele Menschen in Kroatien Nikola Tesla als einen von ihnen an. Und das, obwohl er einen Großteil seines Lebens in Amerika gelebt hat.
Damit liegen aber noch immer nicht alle Fakten zur nationalen Zuordnung des Wissenschaftlers auf dem Tisch: Seine Eltern waren nämlich serbisch-orthodox. Serbien ist deshalb von dem kroatischen Tesla-Euromünzen-Plan alles andere als begeistert. Dort ist man der Meinung, Tesla sei ein Amerikaner serbischer Abstammung. Die serbische Nationalbank wirft Kroatien deshalb sogar vor, sich „das kulturelle und wissenschaftliche Erbe des serbischen Volkes anzueignen“. Der kroatische Ministerpräsident Andrej Plenković antwortete mit Unverständnis auf die Vorwürfe: Immerhin sei Nikola Tesla in Kroatien geboren worden. Er verstehe er nicht, wie jemand etwas gegen die Pläne haben könne.
Nationalität und grenzenlose Wissenschaft – ein Widerspruch?
Ganz schön kompliziert also. Auf jeden Fall scheint die nationale Identität Teslas eine ganz schön wichtige Rolle zu spielen. Das irritiert: Immerhin sind internationale und interdisziplinäre Zusammenarbeit wichtigste Grundsätze der Wissenschaft. Der Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft, Otmar Wiestler erklärt das so: „Forschung agiert in einem internationalen Rahmen. Um die immer komplexeren Fragestellungen unserer Zeit zu beantworten, müssen die besten Forscher auf einem Gebiet zusammenarbeiten, unabhängig davon, wo sie ihre Wurzeln haben und wo sie tätig sind.“
Außerdem werden in einigen Forschungsbereichen, wie der Teilchenphysik, hochkomplexe Geräte benötigt, die teuer sind und nicht überall zur Verfügung stehen. Ein gutes Beispiel dafür ist der Teilchenbeschleuniger am CERN in Genf. Hier forschen Menschen aus den unterschiedlichsten Ländern gemeinsam.
Gespräch: Wissenschaft und nationale Identität
Wie Ernst-Peter Fischer, Professor für Wissenschaftsgeschichte an der Universität in Heidelberg, zu der Herkunftsfrage steht und ob der Länderkampf um geniale Köpfe der Wissenschaft schadet kannst Du nachhören, im Gespräch zwischen Annika Könnten und Simon Schulz.
Simon Schulz: Wenn mich jemand nach meiner Heimat fragt, sage ich Deutschland. Wenn es noch genauer sein soll, nenne ich die Region, in der ich geboren wurde und aufgewachsen bin. Nikola Tesla kann auf diese Frage heute keine Antwort mehr geben, denn der Elektroingenieur ist im Jahr 1943 gestorben. Über seine Herkunft gibt es aber heute noch Streit. Annika, was ist denn nun am wichtigsten? Sein Geburtsort in Kroatien, seine serbische Abstammung oder doch die USA als das Land, in dem er einen Großteil seines Lebens verbracht hat?
Annika Könntgen: Das ist eine super schwierige Frage. Das sieht man ja schon allein daran, dass es diesen Streit überhaupt gibt. Mittlerweile mischen sich sogar die Staatsoberhäupter der beteiligten Länder ein. Ich hab deswegen den Professor für Wissenschaftsgeschichte Ernst-Peter Fischer von der Universität Heidelberg gefragt, wie er das sieht.
Ernst-Peter-Fischer: Ich glaube, dass der Geburtsort die Qualität eines Wissenschaftlers weniger bestimmt als die Ausbildung, die er bekommen hat und die Inspiration, die er bekommen hat, aber das ist vom Geburtsort unabhängig.
Annika Könntgen: Seine Ausbildung hat Tesla an verschiedenen Orten in Europa bekommen, darunter Graz in Österreich und Prag in Tschechien. Seit 1884 lebte und arbeitete er in Amerika. Ernst-Peter Fischer sagt außerdem, dass die Frage nach der Nationalität eigentlich nicht wichtig ist. Viel eher müsse man dafür sorgen, dass Teslas Ideen gefördert werden.
Simon Schulz: Das klingt ja erstmal sinnvoll. Derjenige bekommt das größte Stück von der Torte, der beim Backen am meisten geholfen hat. Oder hier eben: Wo wird denn heute besonders viel an Tesla und sein Erbe erinnert?
Annika Könntgen: Auch da scheiden sich die Geister. Einerseits gibt es das Nikola-Tesla-Museum in der serbischen Hauptstadt Belgrad, in dem auch die Urne des verstorbenen Wissenschaftlers liegt. Und die Universität von Belgrad hat ihr Institut für Elektroingenieurswesen nach ihm benannt. Es gibt aber auch eine Ausstellung an seinem Geburtsort in Kroatien. Die Ausstellung „Nikola Tesla – Mind from the future“ hat an verschiedenen Orten weltweit stattgefunden, die wichtig im Leben Teslas waren. Gestartet ist sie in Zagreb in Kroatien, sie war auch in Prag, Paris und New York, nicht aber in Serbien. Auch könnte man anführen, dass Elon Musk mit seinem amerikanischen Unternehmen, zum Beispiel mit seinen Elektroautos eine ganze Menge für das geistige Erbe Teslas getan hat.
Simon Schulz: Generell ist internationale Zusammenarbeit aber eigentlich total wichtig in der Wissenschaft. Schadet es dann nicht, wenn einzelne Länder so stark Anspruch auf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern erheben?
Annika Könntgen: Sollte das Ganze so weit führen, dass Länder nicht mehr miteinander arbeiten, um am Ende allein den Ruhm einzuheimsen: Klar. Der Wissenschaftshistoriker Ernst-Peter Fischer hat mir allerdings erklärt, dass normalerweise das Gegenteil der Fall ist: Nationale Identität kann dazu beitragen, dass Wissenschaft national stärker gefördert wird. Nämlich dann, wenn der internationale Wettbewerb dazu führt, dass der Wissenschaft in den einzelnen Ländern mehr finanzielle Ressourcen zur Verfügung gestellt werden, um sich gegen andere Länder behaupten zu können.
Simon Schulz: Dann wäre das entsprechende Land ja am Ende tatsächlich ein Stück weit mit für den Ruhm verantwortlich! Viel wichtiger als der Geburtsort oder die Abstammung scheint also letztendlich zu sein, wer die Wissenschaftler zu Lebzeiten unterstützt und ihr wissenschaftliches Erbe fördert. Das war unsere Reporterin Annika Könntgen mit Infos zum Streit um die Nationalität von Nikola Tesla.